"Willkommen zu Hause, Neele"
Neele Havekost war 2015/16 als Freiwillige in der Arche Kapiti. Seit ihrer Rückkehr hofft sie, dass ihr Weg sie bald wieder nach Neuseeland führen wird. Sie hatte schon eine Stellenzusage der Arche. Doch die Corona-Pandemie vereitelte ihre Anreise. Darum ist Neele als Assistentin in der Arche Tecklenburg eingesprungen und hat so die Wartezeit optimal genutzt.
2015 hatte ich ein freies Jahr zwischen meiner bereits dreijährigen Arbeit im Krankenhaus als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und meinem Heilpädagogikstudium. Auf der Internetseite der Internationalen Arche informierte ich mich über das Leben in einer Arche-Gemeinschaft und blieb bei „L‘Arche Kapiti“ in Neuseeland hängen. Ich bewarb mich und wurde angenommen.
Niemals werde ich meine ersten Tage in L’Arche Kapiti vergessen, denn ich habe mich dort von Anfang an wie zu Hause gefühlt und war von dem gemeinschaftlichen Leben beeindruckt. Schon am Anreisetag wurde ich herzlichst mit einem selbst gestalteten Schild mit der Aufschrift: „Welcome home Neele“ an meiner Zimmertür begrüßt.
Offene und entschleunigte Menschen
Während meiner Zeit in Neuseeland verbesserte ich nicht nur meine Englischkenntnisse, sondern durfte auch Kultur und Mentalität der Kiwis und Maori kennenlernen. Mir gefiel der entspannte Alltag mit regelmäßigen Tee- und Kaffeetrinkpausen, auch „Cuppa“ genannt und die „Tea Partys“. Bei diesen Zusammenkünften der Gemeinschaft war immer jede/-r herzlich willkommen.
Das Leben mit den Menschen in Neuseeland erlebte ich als sehr offen und entschleunigt. Ich fühlte mich in der Arche sehr befreit und leicht, wozu natürlich auch die atemberaubende Natur direkt vor der Tür beitrug. Die Wohnhäuser der Arche befinden sich zwischen einem wunderschönen Strand und einer grünen, hügeligen und waldreichen Landschaft.
Raum für Gefühle und auch Konflikte
Während meiner Zeit in der Arche habe ich viel über Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen gelernt. Zum Beispiel wie Kommunikation zwischen Menschen gelingen kann, wenn sprachliche, kognitive oder emotionale Einschränkungen bestehen. Was mich in der Arche wirklich beeindruckt, ist, dass immer wieder Raum für die Gefühle aller Beteiligten in der Gemeinschaft gegeben wird. Wie oft es doch vorkam, dass Bewohner/-innen und Assistent/-innen sich Zeit nahmen, über emotionale Dinge zu sprechen, sie anzuhören oder auch Tränen zuzulassen.
Wir öffneten uns sehr in der Gemeinschaft und unterstützten uns, auch wenn es mal zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen kam. Ich habe erlebt, wie wir in der Gemeinschaft Lösungsstrategien fanden, mit denen wir Krisen zusammen bewältigen konnten. Und dass es besser ist, den vorkommenden Schwierigkeiten und Problemen nicht auszuweichen, sondern diese im Team und in der Gemeinschaft zu besprechen und zu bearbeiten.
Darüber hinaus finde ich es sehr wichtig, dass in einer Lebensgemeinschaft – und gerade auch in der Arche – eine reflektierte Haltung und ein kritischer Blick mit eingebracht werden. Besonders nach den aufgedeckten Missbrauchsfällen, die in diesem Jahr über Jean Vanier veröffentlicht worden sind, sollte eine reflektierte und hinterfragende Haltung bewahrt werden.
Mut haben, eigene Grenzen mitzuteilen
Mich hat es sehr berührt, wie unsere Bewohner/-innen, die „Core Members“, überall eingebunden waren und ihren eigenen Alltag mitbestimmen durften. Ich merkte, dass die Arche mir den Zeitdruck nahm, dem ich im Krankenhaus tagtäglich ausgesetzt war und ich somit immer mehr anfing, die Arbeit und den gemeinsamen Alltag in der Gemeinschaft zu lieben.
Aber natürlich gab es auch Momente in der Arche, in denen ich sehr an meine Grenzen gestoßen bin und lernen musste mich abzugrenzen und auch „Nein“ zu sagen. Denn gerade in einem Umfeld mit vielen Menschen, besteht schnell die Gefahr, sich selbst zu verlieren. Wenn man aber die Fähigkeit und den Mut entwickelt, seine eigenen Grenzen mitzuteilen und andere anfangen diese zu verstehen, ist es umso schöner, wenn man zusammen einen Plan für ein gemeinschaftliches Leben erarbeitet.
Der Abschied aus meiner Arche-Gemeinschaft fiel mir sehr, sehr schwer. 2018 flog ich erneut für drei Wochen nach Neuseeland, um alle zu besuchen und es fühlte sich so an, als wäre ich nie weg gewesen. Nach diesem Besuch hatte ich weiterhin das Gefühl, ich müsste nochmal zurück in die Arche Kapiti – und zwar nochmal für länger. Ich habe mich dort bereits auf eine freie Stelle als Hausleitung beworben und habe die Stelle sogar bekommen. Jedoch ist aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie eine Einreise nach Neuseeland erschwert und vorerst nicht möglich. Ich hoffe und bete, dass ich bald zurückkehren kann.